Die neue deutsche Nationalmannschaft und seine Spieler – ein Kommentar

Seit der WM 2018 steckt die deutsche Nationalmannschaft fußballerisch irgendwie fest. Mit dem Sextupel-Trainer Hansi Flick hat man sich einen gewissen Aufwind versprochen, das Ergebnis bei der WM 2022 war aber, wie jeder weiß, das selbe wie 2018: ein Ausscheiden in der Gruppenphase. Was ist also los in dieser Mannschaft?

Das Jogi Löw, wie er mittlerweile selbst bestätigt hat, eher auf dem Höhepunkt seiner Bundestrailer-Karriere hätte gehen sollen, steht mittlerweile für viele außer Frage. Die Luft war raus, irgendwie kam kein richtiger Aufwind in die Mannschaft, man hat versucht, an Bewährtem nach dem Motto „never change a running system“ festzuhalten. Wie sich herausstellte, das falsche Motto. Aber warum ist auch der hart gefeierte Hansi Flick an der deutschen Nationalmannschaft gescheitert?

Hansi Flick hat den FC Bayern damals 2019 mitten in der Saison, VOR dem großen Spiel gegen Borussia Dortmund übernommen, nachdem er zu Saisonbeginn als Co-Trainer von Nico Kovac eingestellt wurde. Ich hatte damals schon irgendwie den Eindruck, das hier der Plan B installiert wurde, falls Nico Kovac scheitert. Ich sollte recht behalten.

Hansi Flick hat dann mit einer Mannschaft, die sein Vorgänger noch zwischen den Zeilen als „ungenügend“ bezeichnet hat, 6 von 6 möglichen Titeln in einer Saison gewonnen. Dieser Trainer ist also eigentlich der personifizierte Aufwind. Nach dieser historischen Saison hat dieser Wind jedoch abgeflaut, es gab zwischenmenschliche Differenzen und Hansi Flick hatte sich dazu entschieden, den FC Bayern zum Saisonende zu verlassen. Man vermutete schon Verbindungen zum DFB wegen dem Posten als Bundestrainer, alles wurde zwar erstmal dementiert aber auch diesen Ausgang kennt jeder: Hansi Flick wurde Bundestrainer. Und die Erwartungen waren groß. Kann der historische Bayern-Erfolg wiederholt werden?

Anfangs sah das auch sehr gut aus, aber wenn man die eigentliche Entwicklung der Mannschaft betrachtet, war das Ganze lediglich Euphorie und Hype um den Trainer – der Aufwind innerhalb der Mannschaft war aber trotzdem nicht zu spüren und ehrlichgesagt wurde auch in dieser Trainerbesetzung mehr auf das bisherige „Running System“ gesetzt.

Und so kam es, wie es kommen musste – auch diese Mannschaft ist in einem Turnier bitter gescheitert. Man kann sich dieses Drama (leider) auch in der Doku-Serie „All or Nothing: Die Nationalmannschaft in Katar“ ansehen. Zeitgleich zum Release der Serie wurde Hansi Flick, nach weiteren mehr oder weniger peinlichen Niederlagen, als erster deutscher Bundestrainer in der Geschichte, von seinem Dienst freigestellt.

Springen wir in Gesamtbetrachtung nochmal zum FC Bayern zurück: Nachfolger von Hansi Flick als Cheftrainer des FC Bayern wurde Julian Nagelsmann – für mich ein wandelndes Fußballhandbuch. Seine Interviews, Analysen und sein Verständnis von Fußball ist/war beeindruckend. Und trotz großem Know-How gab es viele Kritiker die meinen, Nagelsmann-Fußball wäre zu kompliziert. Möglicherweise ist das auch so bzw. nicht jeder Spieler hat vielleicht Lust, auf eine gewisse Art und Weise Fußball zu spielen. Es hat auf jeden Fall eine gewisse Zeit funktioniert. Letztendlich wurde Julian Nagelsmann aber in einer (meiner Meinung nach) undurchdachten Nacht und Nebel-Aktion vom Dienst freigestellt und Thomas Tuchel als sein Nachfolger verpflichtet. Und damit endet die Thematisierung des FC Bayern.

Erneuter Nachfolger von Hansi Flick – Julian Nagelsmann als Bundestrainer der Nationalmannschaft

Und so stehen wir also im Herbst 2023 nicht mal mehr ein Jahr vor Beginn der Europameisterschaft im eigenen Land und Julian Nagelsmann tritt wiederum die Nachfolge von Hansi Flick an – diesmal aber auf anderer Ebene.

Viel ist diskutiert worden. Nagelsmann könne seine komplizierte Art zu spielen nicht schnell genug an die Spieler weitergeben und wir scheitern im nächsten Turnier wieder kläglich in der Gruppenphase. Und hier möchte ich in meinem Kommentar gerne einsteigen.

Ja, Julian Nagelsmann mag möglicherweise eine kompliziertere Art von Fußball spielen lassen. Aber im Vergleich zur Vereinsebene, auf der Spieler eingekauft werden müssen, die in ein gewisses Spielsystem passen sollen, hat man auf nationaler Ebene doch die Möglichkeit eines „Bauchladens“. Man hat eine große Auswahl an deutschen Spielern, an denen sich jederzeit bedient werden kann. Man nehme eine handvoll neuer, frischer Spieler, eine handvoll Nationalmannschafts-Veteranen und dann sucht man sich noch ein paar Zwischenspieler aus, die irgendwie noch super ins System passen. Und das Ganze ohne das dafür Millionen an finanziellen Mitteln zwischen Vereinen hin und hergeschoben werden müssen, das man eine Mannschaft kreiert, die taktisch passt.

Und da bin ich dann doch der Meinung, das mit dieser Möglichkeit ein Julian Nagelsmann sehr wohl im Stande ist, seine Art von Fußballspielen verständlich zu machen. Und im Endeffekt konnte man das beim ersten Kader und bei den ersten Testspielen sehen, dass das offensichtlich auch klappt bzw. klappen könnte.

Die Reaktionen im Internet auf die Berufung des neuen Trainer der Nationalmannschaft waren hauptsächlich negativ. Vor allem hatten viele moniert, wie Julian Nagelsmann denn mit den Spielern des FC Bayern klar kommen wird, wenn es auf Vereinsebene schon nicht geklappt hat. Und da möchte ich ein weiteres mal einhaken: wer sagt denn, das Julian Nagelsmann weiterhin lediglich auf Spieler des FC Bayern setzt? Viele der 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland haben im Kopf immer noch das „Running System“. Eine Nationalmannschaft besteht offensichtlich nur aus Spielern der stärksten Vereine.

Aber Julian Nagelsmann hat mit seinem ersten Kader bewiesen, das er sehr wohl auch auf individuelle Leistungen schaut und so hat er auch Spieler von Stuttgart und Union Berlin in sein Aufgebot aufgenommen, deren Vereine eben nicht Millionen an Geld umsetzen und jedes Jahr Champions League spielen. Offensichtlich ist der neue Bundestrainer ein Mann, der auf Leistung setzt und nicht auf Vereinszugehörigkeit. Man sieht das auch an den Spielern, die eben NICHT für den Kader nominiert wurden.

Nagelsmann und Neuer

Und so kommen wir noch zum letzten, heiß diskutierten Thema: wie sieht die Zukunft vom ehemaligen Kapitän und Torwart der deutschen Nationalmannschaft Manuel Neuer aus? Auf Vereinsebene hat es zwischen Neuer und Nagelsmann laut Presseberichten überhaupt nicht funktioniert.

Manuel Neuer fällt bekanntlich seit fast einem Jahr wegen einer Urlaubsverletzung aus. Mittlerweile hat er die Nummer 1 in der Nationalmannschaft an Marc-Andre Ter Stegen verloren und auch die Kapitänsbinde musste er an Ilkay Gündogan abgeben. Auf Vereinsebene ist er immer noch als Kapitän gesetzt und soll offenbar am kommenden Wochenende auch wieder als Torwart eingesetzt werden. Zwei unterschiedliche Handhabungen in der Sache „Neuer“ also.

Wenn Julian Nagelsmann weiter auf das Prinzip „Leistung“ setzt, dann muss er Manuel Neuer erstmal auch zuhause lassen. Schließlich hat der Kerl seit fast einem Jahr nicht mehr gearbeitet und die „Mitgliedschaft bei der Nationalmannschaft“ sollte man sich eigentlich wieder verdienen und nicht aufgrund früherer Erfolge nachgeschmissen kriegen. Manuel Neuer hat für mich also seinen Platz in der deutschen Nationalmannschaft verspielt und es ist auch wirklich an der Zeit, das auch andere deutsche Torhüter die Chance bekommen, sich auf nationaler Ebene zu beweisen – schließlich ist Herr Neuer auch nicht mehr der Jüngste. Meiner Meinung nach soll Julian Nagelsmann auch auf jeden Fall weiter auf Ter Stegen als Nummer 1 setzen.

Und nun wieder ein bisschen zurück zum FC Bayern. Soll Manuel Neuer hier weitermachen dürfen, als wäre er jetzt nicht fast ein Jahr weggewesen? Ich fand es bei der überaschenden elften Meisterschaft in diesem Jahr schon fragwürdig, warum er das Vergnügen bekommen hat, die Meisterschale in die Luft zu stemmen, wo er ja für die zweite Saisonhälfte nicht mal etwas zur Meisterschaft beigetragen hatte. Und wenn man sich das Torwart-Karussell der letzten Jahre beim FC Bayern so angesehen hat, wäre es auf Vereinsebene auch langsam Zeit, andere Torhüter ran zu lassen.

In dem man für diese Saison bisher auf Sven Ulreich setzt, beweist, das Thomas Tuchel offensichtlich ein gewisses Händchen für das Thema zu haben scheint. Außerdem gefällt mir gut, das er, wie in anderen europäischen Ligen üblich, in Pokalspielen auch die anderen Torhüter in spielen lässt. Schließlich brauchen auch diese irgendwie Spielpraxis, um im Notfall einsatzbereit zu sein.

So soll doch bitte auch Manuel Neuer Stück für Stück wieder eingesetzt werden – aber die Selbstverständlichkeit, das Manuel Neuer IMMER spielt, sollte seit Dezember 2022 vorbei sein. Es gibt genügend Torhüter, die das selbe Niveau wie Manuel Neuer erreichen können. Man muss ihnen nur die Spielpraxis dazu geben.

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